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Signa-Pleite: Das Elbtower-Problem des Hamburger Senats

Nach der Insolvenz des Vorzeigeprojekts Elbtower will die Stadt Hamburg den Verkauf im Notfall rückabwickeln und sich Zugriff auf den halbfertigen Bau sichern. Doch ein Blick in den Vertrag weckt Zweifel, ob ein Rückkaufrecht aktuell vorliegt.

Es schien, als wollte der Hamburger Senat die schlechte Nachricht selbst verkünden – und mit einer Flucht nach vorne verbinden. Am vergangenen Freitag um 9.30 Uhr informierte die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen in einer Pressemitteilung: Die Entwicklungsgesellschaft, die hinter dem Hamburger Megaprojekt Elbtower steht, habe einen Insolvenzantrag gestellt. In der gleichen Mitteilung kündigte Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) an, die Freie und Hansestadt könne damit „nun ihr kaufvertraglich gesichertes Wiederkaufsrecht sowie die Übernahme aller Planungs- und Bauverträge geltend machen“. Ihre Botschaft: bloß keine Panik!

122 Millionen Euro hatte der Signa-Konzern des österreichischen Immobilieninvestors René Benko der Stadt für das Baugrundstück überwiesen. Doch im Oktober wurde bekannt, dass die Arbeiten auf der Baustelle für den fast eine Milliarde Euro teuren 245-Meter-Turm am Rande der Hafencity ruhen, weil Signa keine Rechnungen mehr bezahlen kann. Seitdem bringt die Hamburger Stadtregierung eine mögliche Rückübertragung des Areals ins Spiel – mitsamt dem Stumpf des Turms, der bereits rund 100 Meter in die Höhe ragt.

STERN PAID 46_23 Elbtower René Benko und Olaf Scholz

Man habe sich im Kaufvertrag Zugriff auf das Projekt gesichert, falls es bei der Bauherrin zu Problemen komme, hieß es stets, um Sorgen zu dämpfen, dass von den großen Ambitionen nur eine hässliche Bauruine bleibt. Im November sagte Senatorin Pein in der Bürgerschaft: „Eine Insolvenz würde das Wiederkaufsrecht unmittelbar auslösen.“ Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ergänzte später, bei einem Rückkauf müsse die Stadt Benkos Konzern nur den Kaufpreis ohne Zinsen und abzüglich 5 Millionen Euro bezahlen – obwohl Signa schon rund 300 Millionen Euro in die Bauarbeiten gesteckt hat. Kein schlechter Deal, auch wenn sich die Stadt dann selbst um das Projekt oder den Weiterverkauf kümmern müsste.

Was bedeutet der Wortlaut im Vertrag?

Doch ein Blick in den Kaufvertrag vom 6. Februar 2018 für das maßgeblich noch von Tschentschers Vorgänger Olaf Scholz (SPD) vorangetriebene Prestigeprojekt weckt Zweifel an der offiziellen Darstellung. Zwar enthält der Vertrag tatsächlich eine Klausel für den Rückkauf im Fall einer „wirtschaftlichen Verschlechterung“ der Lage bei der als Käuferin auftretenden Signa-Tochter Signa Prime Selection. Eindeutig geregelt ist im Vertrag auch, dass unter „wirtschaftliche Verschlechterung“ die Insolvenz der Käuferin fällt. 

Bei dem genauen Wortlaut der Klausel in Paragraf 19.1.3 wird man jedoch stutzig. Denn in der notariell beglaubigten Fassung des Kaufvertrags wird – sprachlich etwas rumpelig – als eine Voraussetzung für die Berechtigung zum Rückkauf festgelegt: „Eintritt einer Wirtschaftliche Verschlechterung des Käufers (…) innerhalb“ einer bestimmten Frist „nach Fertigstellung„. Um welche Frist es sich dabei genau handelt, ist in der Fassung des Dokuments, die „Capital“ vorliegt, von den Hamburger Behörden geschwärzt worden (s. Ausriss). Von entscheidender Bedeutung ist hier allerdings die Formulierung „nach Fertigstellung“ des Bauvorhabens, die den Beginn der Frist definiert.

Entscheidende Passage aus dem Grundstückskaufvertrag zwischen der Stadt Hamburg und der Signa-Gruppe aus dem Februar 2018: Laut der Bestimmung ergibt sich ein Rückkaufrecht für die Stadt erst innerhalb einer Frist „nach Fertigstellung“ des Bauprojekts (Schwärzung durch die Hamburger Behörden)
© Stadt Hamburg

Von einer Fertigstellung – selbst des Rohbaus – ist der Elbtower allerdings noch meilenweit entfernt. Offenbar konnten sich der Hamburger Senat und seine Rechtsberater von der Edelkanzlei Freshfields nicht vorstellen, dass Benkos Konglomerat schon während der Bauarbeiten in die Insolvenz rutscht. Der damalige Bürgermeister Scholz lobte Signa seinerzeit als ein „hervorragendes Immobilienunternehmen“. Oder aber die Stadt und ihre Anwälte konnten eine solche Absicherung für die öffentliche Hand in den Verhandlungen mit Signa nicht durchsetzen. Stattdessen sind im Vertrag nur konkrete Wiederkaufsrechte für den Fall vereinbart, dass Signa in Zukunft bestimmte Meilensteine bei den Baufortschritten reißt. Diese greifen laut Vertrag jedoch erst Ende des Jahrzehnts – was etwas anderes ist als ein sofortiges Rückkaufrecht, das „unmittelbar“ durch die Pleite der Bauherrin ausgelöst werde, wie Stadtentwicklungssenatorin Pein erklärt hatte.

Seit dem Baustopp am Elbtower im Oktober und dem Beginn der Insolvenzserie in der Signa-Gruppe im November dürften sich auch die Juristen des Senats intensiver mit dem Vertrag beschäftigt haben. Auf eine Anfrage von „Capital“ an die Stadtentwicklungsbehörde und die Senatskanzlei von Bürgermeister Tschentscher, auf welche Vertragsgrundlage sich der Senat bei seinen Äußerungen zum Rückkaufrecht berufe, verwies ein Sprecher von Senatorin Pein auf die bereits erwähnte Bestimmung in Paragraf 19.1.3. Demnach sei ein Wiederkauf „ab dem Übergang des Eigentums des Grundstücks auf die Käuferin bis ein Jahr nach Fertigstellung möglich“, erklärte er. Die Formulierung „innerhalb“ einer bestimmten Frist „nach Fertigstellung“ im Wortlaut der Bestimmung beziehe sich „auf den Zeitraum zwischen Eigentumsübergang und einem Jahr nach Fertigstellung“. Diese Auslegung ergebe sich auch „aus der Verhandlungshistorie zwischen den Vertragsparteien“, versicherte der Sprecher.

„Mangelhaftes Vertragsmanagement“

Dagegen betonen Juristen, dass es für die Auslegung des Vertrags nun einmal auf den Wortlaut ankomme. „Nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Klausel soll das Wiederkaufsrecht erst nach Fertigstellung entstehen“, sagte der Berliner Rechtsanwalt Marc Liebscher, der auf Kapitalmarkt- und Insolvenzrecht spezialisiert ist. Die jetzige Argumentation des Senats, die Formulierung im Vertrag beziehe sich tatsächlich auf einen früheren und längeren Zeitraum, „wirkt hier eher wie ein hilfloser Versuch, mangelhaftes Vertragsmanagement der Vergangenheit zu überspielen“, fügte Liebscher hinzu. Dafür spricht auch, dass im Vertrag weitere Wiederkaufsrechte aus anderen Gründen als die Insolvenz ausdrücklich schon für einen bestimmten Zeitraum „nach Übertragung des Kaufgrundstücks“ an Signa definiert werden – und eben nicht erst „nach Fertigstellung“ des Projekts.

Hamburg Elbtower Insolvenz 12.30

Um Diskussionen oder gar rechtliche Auseinandersetzungen über die Auslegung des Kaufvertrags mit dem Insolvenzverwalter oder anderen Beteiligten auf Signa-Seite zu vermeiden, muss der Senat nun umso mehr darauf hoffen, dass sich ein privater Käufer findet, der das Projekt zu Ende baut. Doch ein Interessent ist aktuell nicht in Sicht. Der immer wieder als möglicher Käufer genannte Milliardär Klaus-Michael Kühne, dessen Konzern Aktionär bei Benkos Signa Prime Selection ist, ließ am Freitag erneut abwinken. 

Stadtentwicklungssenatorin Pein betonte am Freitag, die Errichtung des Elbtowers sei ein „privatwirtschaftliches Projekt“. Man erwarte, dass „im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine privatwirtschaftliche Lösung für die zeitnahe Wiederaufnahme der Bautätigkeit gefunden wird“. Das Wiederkaufrecht ermögliche jedoch, „dass die Stadt die Kontrolle über das Projekt übernehmen kann, wenn keine tragfähige Lösung gefunden wird“. Doch ob das tatsächlich so einfach ist, müssten dann womöglich Juristen klären.

Dieser Artikel erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin „Capital“, das wie der stern Teil von RTL Deutschland ist.