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GDl-Bahn-Konflikt: Lokführer im Ausstand: Juristen halten Schlichtungszwang bei Streiks für zulässig

Die Fronten zwischen der Bahn und der GDL sind verhärtet – eine Lösung im Tarifstreit ist nicht in Sicht. Experten glauben, dass eine Zwangsschlichtung möglich wäre – aber auch politisch gewollt sein muss.

Der auf sechs Tage bis kommenden Montag angesetzte Bahn-Streik schürt Forderungen in Politik und Wirtschaft nach einem Regelwerk, das Tarifpartner an den Verhandlungstisch zwingt. Ein Arbeitskampf in Deutschland ist nicht gesetzlich geregelt. Das könnte man aber ändern, sagen Juristen, trotz des Grundrechts der Koalitionsfreiheit im Grundgesetz. „Verfassungsrechtlich ist das möglich, politisch muss es gewollt sein“, sagte der Direktor des Instituts für Arbeitsrecht der Universität Bonn, Gregor Thüsing, der Nachrichtenagentur Reuters.

Die wichtigsten Fragen zu einer möglichen Lösung im Bahn-GDL-Tarifkonflikt:

Wer darf streiken?

Nur eine Gewerkschaft darf einen Streik organisieren und führen. Und es darf nur für eine Forderung gestreikt werden, die in einem Tarifvertrag geregelt werden kann. Politische Streiks – wie etwa in Frankreich im vorigen Jahr gegen die Rentenpolitik – sind daher in Deutschland nicht erlaubt. Ein Streik muss verhältnismäßig sein.

Was ist die Koalitionsfreiheit? 

Das Streikrecht genießt einen hohen Schutz über die im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit. Diese bezieht sich nicht auf politische Regierungsbündnisse, sondern auf das Recht eines Jeden, „zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden“. Sie ermöglicht Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sich in Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden zusammenzuschließen – um einen Arbeitskampf zu führen und Tarifverträge auszuhandeln.

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Ist der GDL-Streik noch verhältnismäßig?

Im rechtlichen Sinne offenbar ja. „Gestreikt werden darf erst nach Ausschöpfung aller Verständigungsmöglichkeiten“, sagte Clemens Höpfner, geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität Köln, zu Reuters. „Das Bundesarbeitsgericht sagt seit vielen Jahrzehnten: Es ist nicht erforderlich, vor dem Arbeitskampf ein Schlichtungsverfahren zu versuchen. Aber das ist umstritten unter Juristen.“

Auch der Arbeitsrechtler Thüsing verweist darauf, dass der Streik zwar unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit stehe. „Was verhältnismäßig ist, kann aber weitgehend die Gewerkschaft selbst bestimmen. Im Grunde wissen wir nur sicher, wenn die Gewerkschaft noch gar nicht verhandelt hat, dann darf sie auch nicht streiken. Dann ist es sicherlich nicht verhältnismäßig.“

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Was ist eine Schlichtung?

In manchen Branchen gibt es Vereinbarungen von Arbeitgebern und Gewerkschaften, dass sie mit Hilfe unbeteiligter Dritter einen Einigungsversuch unternehmen, wenn sie nicht weiterkommen am Verhandlungstisch. Im Frühjahr 2023 gingen Bund, Kommunen und Verdi für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in die Schlichtung. Die Schlichter machten nach mehrtägigen Beratungen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften einen Einigungsvorschlag. Keine der Seiten war verpflichtet, den Vorschlag anzunehmen. Doch Verdi und der Deutsche Beamtenbund entschieden sich für eine Zustimmung. Der Tarifkonflikt war damit beendet.

Lässt sich eine Schlichtung anordnen?

Es kommt darauf an, was man darunter versteht. Eine Zwangsschlichtung, mit der die Tarifparteien zur Annahme eines Einigungsvorschlages gezwungen würden, wäre gesetzlich kaum machbar. „Die rechtliche Fachmeinung ist hier recht einhellig: Eine Zwangsschlichtung wäre nicht zulässig“, sagte Ernesto Klengel vom Hugo Sinzheimer Institut für Arbeits- und Sozialrecht (HSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Das sieht auch Höpfner so: „Unsere Verfassung verbietet eine Zwangsschlichtung in dem Sinne, dass die Schlichtungsstelle einen verbindlichen Schlichtungsspruch fällt.“ 

Anders wäre es bei einer Pflicht, eine Schlichtung wenigstens zu versuchen. „Verfassungsrechtlich gibt es aus meiner Sicht überhaupt kein Problem, ein Schlichtungsverfahren auch mit Einlassungszwang zu schaffen“, sagte Höpfner. Einlassungszwang bedeutet, dass sich die Beteiligten auf einen Schlichtungsversuch einlassen müssen, wenn nur eine der Tarifparteien die Schlichtung will. Sie sind aber nicht gezwungen, das Schlichtungsergebnis anzunehmen.

Verhindern Schlichtungen einen Streik?

Nicht zwangsläufig, aber die Chance besteht. Thüsing plädiert für ein Arbeitskampfgesetz, das in Bereichen kritischer Infrastruktur wie Bahn oder Krankenhäusern einen obligatorischen Schlichtungsversuch vorschreibt: „An dessen Ende steht die Annahme des Spruchs oder der Arbeitskampf. Das ist kein Eingriff in die Koalitionsfreiheit, sondern eine Ausgestaltung des Grundrechts, die auf Interessen der Öffentlichkeit Rücksicht nimmt.“ Gestreikt werden könnte also weiterhin.

Eine Gewerkschaft hätte dann aber keinen leichten Stand, räumt Thüsing ein: „Man streikt gegen einen Schlichterspruch, vom dem die Öffentlichkeit sagen wird, das halten wir für angemessen. Das hat schon einen sehr hohen faktischen Druck.“

Wie erfolgreich sind Schlichtungen?

„Schlichtungen können helfen“, sagte der Tarifexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Hagen Lesch, zur Reuters. „Wir haben bei uns in der Tarifdatenbank seit dem Jahr 2000 in den 20 Branchen, die wir beobachten, 46 Schlichtungen. Davon waren 34 erfolgreich. Sie helfen vor allem, wenn sie in einem frühen Stadium eingesetzt werden.“

Lokführer Verdienst 9.17

Wäre ein Schlichtungszwang politisch durchsetzbar?

IW-Ökonom Lesch ist überzeugt: „Die obligatorische Schlichtung würde den Gedanken der Ultima Ratio, also Streik als letztes Mittel, stärken. Es greift nicht ins Streikrecht ein, weil nach der Schlichtung immer noch gestreikt werden kann.“ Thüsing zeigt sich skeptisch: „Dazu gehört Mut. Man legt sich mit Gewerkschaften, Arbeitgebern und der Öffentlichkeit an.“

Können Gerichte Streiks verbieten?

Grundsätzlich ja, aber nur in einem engen Rahmen. „Die einzige Möglichkeit, die der Arbeitgeber heute hat nach der geltenden Rechtsprechung, um Arbeitskämpfe als unzulässig bewerten zu lassen, sind formale Fehler“, sagte Höpfner. „Etwa wenn die Gewerkschaft die Friedenspflicht nicht einhält oder wenn sie Forderungen stellt, die im Tarifvertrag nicht regelbar sind. Aber beim Erzwingungsstreik nach der Urabstimmung gibt es keine Grenze, was den Umfang und die Dauer von Streiks angeht.“