Die Beliebtheit von Outdoor-Aktivitäten und Natururlaub steigt seit Jahren kontinuierlich an. Aber was reizt uns eigentlich so sehr an der Auszeit im Grünen? Wir haben bei einer Naturtherapeutin nachgefragt – und stellen die beliebtesten Naturreiseziele vor.
Natur pur lautet die Devise bei vielen Menschen, wenn es um den diesjährigen Urlaub geht. Sie wollen im Schnee durch die schwedische Tundra stapfen, die Schweizer Alpen erklimmen oder einfach dem Rauschen des Meeres an der niederländischen Küste lauschen. Viele von uns sehnen sich nach einem Ausgleich vom schnellen Alltag, nach einem ruhigen Spaziergang im Wald, dem Blick ins Grüne direkt nach dem Aufwachen und ein bisschen bodenständiger Ursprünglichkeit auf Reisen.
Kurz gesagt: Natururlaub boomt. Den Hype um die Auszeit im Grünen zeigen nicht nur regelmäßig Umfragen, auch ausgebuchte Campingplätze, sich auf Wanderwegen tummelnde Touristen und die steigende Nachfrage nach bisher unterschätzten und ursprünglichen Reisezielen wie Georgien, Albanien und Montenegro schlagen in diese Kerbe. Ein Trend, den auch die Anbieter längst für sich entdeckt haben. Sie laden zu naturnahen Reisen und versprechen so wenig von allem, wie möglich – um das authentische Naturerlebnis nicht zu schmälern. Aber was reizt uns eigentlich so sehr an der Natur?
„Wir befinden uns in einer lebendigen Beziehung und wechselseitigen Verbundenheit mit natürlichen Räumen und der mehr-als-menschlichen Welt“, formuliert die Naturtherapeutin Olivia Köhler etwas spirituell, was mittlerweile auch wissenschaftlich gut belegt ist: Die Natur wirkt sich positiv auf unser Wohlbefinden aus. So konnten die Forschenden Elizabeth Nisbet und John Zelenski von der Carleton Universität in Ottawa in mehreren Studien etwa belegen, dass Zeit in der Natur uns glücklicher macht, Stress reduzieren kann und unsere Naturverbundenheit intensiviert. Außerdem stärkt eine Auszeit im Grünen unsere Achtsamkeit, kann unsere Konzentration steigern und Müdigkeit reduzieren. Auch ein positiver Effekt auf unser Herz-Kreislaufsystem gilt mittlerweile als belegt.
Was Natururlaub bringt
Zugegeben, wer einen Natururlaub plant, der informiert sich in der Regel nicht im Vorfeld darüber, inwiefern sich das konkret positiv auf das eigene Wohlbefinden auswirken kann. Es ist vielmehr ein Gefühl, eine Sehnsucht danach, einfach mal durchzuatmen. Das kennt auch Köhler, wie sie dem stern erzählt: „Eine solche Auszeit bietet Raum und Gelegenheit, langsamer zu werden und sich zu verbinden – mit der Natur, mit sich selbst und mit anderen.“ Deshalb bietet sie auch seit einigen Jahren selbst regelmäßig entsprechende Retreats an, bei denen sie bis zu 13 Großstädter:innen mit in die wilde Natur nimmt.
Köhler hat sich also in den wachsenden Markt der Anbieter von Natururlaub eingereiht. Neben den klassischen Möglichkeiten zwischen Camping und Wanderreisen gibt es mittlerweile etliche neue Varianten der Auszeit im Grünen. Laut einer Umfrage der Buchungsplattform „lastminute.com“ werden Radreisen in diesem Jahr noch einmal an Bedeutung gewinnen. Laut den Reisetrends 2024 von „Booking.com“ wünschen sich 38 Prozent der Reisenden in diesem Jahr mehr naturnahe Erlebnisse abseits der ausgetretenen Touristenpfade an Orten, die weniger bekannt sind. Die Plattform „Skyscanner.com“ beschreibt mit den „Analog-Abenteurern“ einen neuen Reisetyp, der im Urlaub gerne auf digitale Endgeräte verzichtet – um den Urlaub voll und ganz genießen zu können.
Den machen Natururlauber heutzutage auch gerne mal beim Clamping, in Tiny Houses oder in Form eines Survival-Trips vor der eigenen Haustür. Und das geht zum Glück trotz florierendem Massentourismus nach wie vor noch an vielen Orten der Welt. Die Bewertungsplattform „TripAdvisor“ hat in diesem Jahr erstmals auch die beliebtesten Naturreiseziele mit dem Travellers Choice Award ausgezeichnet.
Demnach finden wir die schönsten Flecken Natur vor allem in Übersee. So landet der Kathmandu in Nepal auf Platz eins, gefolgt von der Halong-Bucht in Vietnam und dem beliebten ägyptischen Urlaubsort Hurghada. Auch auf Mauritius, im indonesischen Lombok oder im Kruger Nationalpark in Südafrika soll die Natur viele Reisende begeistern. Ebenfalls in der Top Ten vertreten: Kauai (Hawaii), Sansibar (Tansania), Grand Cayman (Kaimaninseln) und Guadeloupe.
Wilde Natur direkt vor der Haustür
Wer schon einmal in Deutschlands Wäldern unterwegs war, die Alpen aus nächster Nähe gesehen hat oder einen Strand-Spaziergang an der Nord- oder Ostseeküste gemacht hat, der weiß: Für eine Auszeit in der Natur braucht man nicht unbedingt in den Flieger steigen. Manchmal reicht es auch schon, sich einen Tag frei zu nehmen, eine Tasche zu packen, das Smartphone auszuschalten und rauszugehen. Das kann sich im ersten Moment komisch anfühlen, aber laut Naturtherapeutin Köhler schon wie ein Kurzurlaub wirken.
Olivia Köhler ist Unternehmensberaterin und systemische Naturtherapeutin. In ihren regelmäßigen Retreats nimmt sie bis zu 13 Teilnehmer:innen mit in die wilde Natur
© Laura Droße
Sie rät jedem, der vom Leben gestresst, ausgelaugt oder einfach nur auf der Suche nach neuer Inspiration ist: „Probieren Sie es einmal aus und lassen Sie sich überraschen, was für Gedanken, Körpergefühle und Erkenntnisse zu Ihnen finden.“ Sie ist, wie viele andere, überzeugt: Natururlaub wirkt. Dafür braucht es keine Erleuchtung. Es reicht, wenn wir am Ende „nur“ ein bisschen erholter und geerdeter zurück im Alltag ankommen.