Die Pegelstände sinken vielerorts in NRW und die Lage scheint beherrschbar – aber neuer Regen ist vorhergesagt. Umweltminister Krischer rechnet künftig häufiger mit solchen Extremlagen.
Beim Hochwasser in Nordrhein-Westfalen gibt das Umweltministerium trotz stagnierender oder sinkender Pegelstände keine Entwarnung. „Wir haben nach wie vor eine große Hochwasserlage“, sagte Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) am Freitag in Düsseldorf.
Bisher seien die Folgen überschaubar geblieben, keine Opfer zu beklagen. An den Talsperren drohten weder Dammbrüche noch unkontrollierte Überläufe. Die Hochwasserschutzanlagen hätten gehalten.
Allerdings seien die Deiche an vielen Stellen aufgeweicht. Es habe sich hier deutlich gezeigt: „Wir haben einen Sanierungsbedarf“, sagte Krischer. Es sei den Einsatzkräften vor Ort zu verdanken, dass sie Schwachstellen erkannt und energisch gegengesteuert hätten, um Deichbrüche zu verhindern.
Es brauche auch mehr Überflutungsräume. So hätte es etwa im Einzugsbereich der Lippe ohne die in den letzten Jahren geschaffenen zusätzlichen Überflutungsräume aktuell erheblich größere Probleme gegeben, erläuterte Krischer.
Solche Wetter-Extreme kann es künftig häufiger geben
Der extreme Jahresausklang passe zum Gesamtjahr 2023 – dem regenreichsten und wärmsten Jahr in NRW seit Beginn der Aufzeichnungen. Angesichts des Klimawandels ist nach Einschätzung des Umweltministers künftig häufiger mit solchen Extremlagen zu rechnen.
Handlungsbedarf sah auch Frank Obenaus, Technikvorstand in Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV). So müsse die Wasseraufnahme-Kapazität in den Siedlungsgebieten in den nächsten Jahren noch deutlich verstärkt werden, sagte er im WDR.
Jede mögliche Fläche zur Versickerung, zum Rückhalt von Regenwasser müsse genutzt werden. „Das passiert, wenn Sie von außen auf die Siedlungsflächen gucken, noch zu wenig.“ Versiegelung solle hier zurückgenommen, neue Speichermöglichkeiten wie begrünte Dächer müssten geschaffen werden. „Das ist durchaus mühsame Kleinarbeit.“
Weitere Niederschläge erwartet
Der Deutsche Wetterdienst sagte nach einer kurzen Regenpause auch für das Silvester-Wochenende wieder Niederschläge voraus. Im neuen Jahr sei ab Montagnachmittag „schauerartig verstärkter Regen“ zu erwarten, zunächst bis Dienstagmittag anhaltend vor allem im Bergischen Land, Sauerland und Rothaargebirge.
Nach einer „kleinen Phase der Entspannung“ könnte die Lage zu Jahresbeginn damit wieder kritischer werden, warnte der Fachbereichsleiter für Hochwasserschutz im Landesumweltamt LANUV, Marc Schebel. Die Pegelstände sind den Angaben zufolge nach wie vor hoch, viele Deiche aufgeweicht, Böden gesättigt.
Um vor neuen Regenfällen eine „Vor-Entlastung“ zu erreichen, also Stauraum zu schaffen, lassen in NRW derzeit viele Talsperren verstärkt Wasser ab, wie Experte Matthias Börger aus dem Umweltministerium berichtete. Er sehe bei keiner Anlage eine Gefahr, dass es zu einer Überlastung kommen könne.
Die Lage an den Bundes- und Landesstraßen sei trotz einiger gesperrter Fahrbahnen wegen Unterspülung oder Überflutung „im beherrschbaren Bereich“ geblieben, sagte Christoph Jansen vom Landesbetrieb Straßen.NRW.
Ortsteil von Kleve wird zur Insel
Nach wie vor ist am Niederrhein ein kleiner Ortsteil von Kleve vom Wasser umschlossen – und ist so vor ein paar Tagen zur Insel geworden. Ein Fährboot sorgt dafür, dass die Bewohnerinnen und Bewohner von Schenkenschanz über den Rhein gelangen. Mitarbeiter der Hilfsorganisation organisierten den ungewöhnlichen Hochwasser-Pendelservice.
Am Freitag sanken die Pegelstände an der Stelle deutlich. Man rechne aber mit neuen Regenfällen zu Wochenbeginn und dann wieder einem verstärkten Fährboot-Bedarf, sagte ein THW-Mitarbeiter einem dpa-Reporter.
In Minden sei es durch die massive Hochwasserlage der letzten Tage zu einer Belastung des Trinkwassers mit Bakterien gekommen, warnte die Stadt am Freitag. Ein großer Teil des Stadtgebiets sei betroffen. Die Belastung mit Keimen könne Durchfälle und andere Erkrankungen hervorrufen. Wasser zum Trinken, Kochen, aber auch etwa zum Geschirrspülen, Waschen oder Zähneputzen müsse abgekocht werden. Auch das „Mindener Tageblatt“ hatte berichtet.
Im Kreis Soest ging der sorgenvolle Blick des Krisenstabs auf die Lippe, deren Pegelstand auf hohem Niveau verharrte. Vor allem für die Gemeinde Lippetal wurden vorsorglich mehrere tausend Sandsäcke gefüllt. Viele ehrenamtlichen Helfer hätten spontan mit angepackt, berichtete der Kreis.
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